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Titel: Fichtes Entdeckung der Subjektivität (GWL)
Beginn: 25.05.2018 09:00
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Beschreibung: Internationale Tagung:
Fichtes Entdeckung der Subjektivität
Die Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 1794/95

Termin: 25.05.2018 -27.05.2018

Ziel der Tagung ist es, mit Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794/95) (GWL) eines der bedeutendsten Werke der Klassischen Deutschen Philosophie nach Kant in einem close-reading auf der Höhe der aktuellen internationalen Forschung grundständig aufzuarbeiten. Über die Bedeutung des Textes in systematischer und historischer Hinsicht besteht breiter Konsens. Gleichwohl zeigen sich in der Forschung einige markante und beträchtliche Lücken, insbesondere zu den späteren Teilen der Schrift.
Dazu bietet sich ein forschungsorientiertes und zugleich textnahes Vorgehen an, das den Text in kooperativer Zusammenarbeit in Gänze erschließt und nicht bloß selektiv einzelne Aspekte behandelt. Die
Vorträge der Tagung werden sich demgemäß am Fortgang des Textes orientieren. Im Zuge dieses Durchgangs gilt es, die theoretischen Hintergründe des Textes freizulegen und zugleich die mannigfachen Folgen und Rezeptionskontexte in den Blick zu nehmen. Dabei sollen die sachlichen Gehalte des Textes auch auf ihre Bedeutung für aktuelle Diskussionen betrachtet werden.
Die Tagung stützt sich in sachlicher und methodischer Hinsicht auf Vorarbeiten, so insbesondere auf eine vorangegangene Lektüretagung ähnlichen Formats zu Fichtes Eignen Meditationen über ElementarPhilosophie von 1793/94. Deren Teilnehmer sind auch hier versammelt. Dieser immer noch nicht hinreichend erschlossene Text bildet als "Denklaboratorium" Fichtes den unmittelbaren Hintergrund der Grundlage. Insofern ist zu erwarten, dass die Einbeziehung der gemeinsamen Arbeit an diesem Text bisher unthematisierte Aspekte von Fichtes Grundlage freilegt, und dies nicht allein im Sinne historischer Zusammenhänge, sondern auch im Blick auf sachlich-systematische Gehalte.
Fichtes GWL gehört zu den bedeutendsten Texten der Klassischen Deutschen Philosophie und stellt gleichsam eine Gründungsurkunde der Theorie der Subjektivität dar, deren Grundprinzip, das Prinzip des Selbstbewusstseins, bis heute im Sinne eines unhintergehbaren Sachverhaltes diskutiert wird. Doch gilt für den Text nach wie vor, dass über seinen "Rationalitätsgehalt bis heute nicht entschieden ist“ (Stolzenberg 1994). Die GWL bildet dabei die zweite von 17 Fassungen der Wissenschaftslehre und ist bekanntlich die einzige Fassung, die im Druck erschien. Ihre Wirkungsmacht im Diskurs der Zeit (Schelling,
Hölderlin, Hegel, Jacobi, Schleiermacher u.a.) ist bekannt, entsprechend intensiv hat sich die Forschung dem Text gewidmet. Tatsächlich beschränkt sich die umfangreiche Literatur der letzten Jahre und Jahrzehnte – wie schon die zeitgenössische Diskussion – jedoch tendenziell darauf, die Eingangspartie mit den sogenannten drei Grundsätzen (§§ 1-3) und einige Stichworte aus späteren Partien (§§ 4-11) zu behandeln. Hier zeigen sich vor allem im Blick auf den bislang allenfalls in Grundzügen aufgearbeiteten Gedankengang des theoretischen Teils (§ 4) und die eingehende Erschließung des praktischen Teils (§§ 5-11) der GWL wesentliche Desiderate, die die Tagung aufarbeiten soll. Dies betrifft insbesondere die folgenden Aspekte:
1. Von der Forschung bis heute wenig diskutiert und kaum erschlossen ist die neue Ordnung in Fichtes ebenfalls neuartiger‚genetischer‘ Ableitung der Kategorien, die im Unterschied zu Kant nicht mit der Quantität, sondern mit der Qualität bzw. Realität im Sinne der Sachhaltigkeit von Urteilen über Objekte beginnt. Dies ist umso bemerkenswerter, als die
Ableitung der Kategorien ein wesentliches Anliegen Fichtes darstellt, insbesondere in der kritischen Auseinandersetzung mit Kant.
2. Die hochkomplexen‚Synthesen‘ im Zentrum des Textes, die zur Theorie der Einbildungskraft und zu Fichtes Begründung der praktischen Philosophie führen, sind nach wie vor kaum analytisch durchdrungen. Dies gilt vor allem für die in der Forschung bislang noch gar nicht detailliert rekonstruierte sog.„Synthesis E“ in § 4 (GA I,2, 302-384), die im Originaldruck gut 140 Seiten und damit knapp die Hälfte der gesamten GWL ausmacht. Gerade diese Strukturen aber gilt es hinsichtlich ihrer Rationalität zu begreifen, um die Stärken und Schwächen der frühen Philosophie Fichtes einschätzen zu können. Auch das Verständnis der Theorie des Selbstbewusstseins, die eng mit dem Begriff der Einbildungskraft verbunden ist, hängt davon ab.
3. Im Blick auf § 5 des praktischen Teils ergibt sich das Problem einer dem Ich nunmehr zugeschriebenen Reflexivität, durch die es in der Lage sein soll, sich die in der Folge entwickelten kognitiven Funktionen als die seinen zuschreiben zu können. Damit ist eine neue Methode verbunden, die Darstellung einer ‚Geschichte des Selbstbewusstseins‘, die nicht nur für die weitere Entwicklung Fichtes, sondern auch für die gesamte klassische deutsche Philosophie von zentraler Bedeutung geworden ist. Die erheblichen Verständnisprobleme, mit denen diese Textpassagen den Leser konfrontieren sowie die weiteren damit verbundenen systematischen Zusammenhänge sind bis heute nicht in der erforderlichen Gründlichkeit untersucht worden. Hierbei wird auch Dieter Henrichs wirkungsmächtige Interpretation des Fichteschen Ichbegriffs zu diskutieren sein. Henrichs Interpretation zufolge ist darin ein negatives Gegenbild zur Reflexionstheorie der Selbstbewusstseins zu sehen, das die Erklärung des
Selbstbewusstseins aus der Rückwendung eines vorgängig schon bestehenden Subjekts durch ein Selbstproduktionsmodell des Ich ersetzt, ohne allerdings in der Lage zu sein, die dem Selbstbewusstsein wesentliche Eigenart dieses Produktionsakts als Wissen von sich verständlich zu machen. Es ist jedoch fraglich, ob in der im Eingangsparagraphen eingeführten Konzeption des Ich als Tathandlung bereits die der Grundlage eigentümliche
Selbstbewusstseinskonzeption zu sehen ist. Die von Henrich erst der zweiten Darstellung der Wissenschaftslehre zugeordnete Grundformel des Selbstbewusstseins “Das Ich setzt sich schlechthin als sich setzend” wird schon im praktischen Teil der
Grundlage, und zwar in § 5, als Beschreibung der für Selbstbewusstsein wesentlichen reflexiven Selbstbestimmung eingeführt. So ist anzunehmen, dass die Grundlage eine über mehrere Schritte eingeführte komplexe Konzeption des Selbstbewusstseins enthält, die zwar den im Eingangsparagraphen eingeführten Gedanken des selbstkonstitutiven Charakters des Ich einschließt, mit diesem aber nicht identifiziert werden kann.
4. In diesen Kontext fällt auch Fichtes originäre Bestimmung des Begriffs des Gefühls als theoretische und praktische Instanz des Realitätsbewusstseins, den er in Auseinandersetzung mit Spinoza und der englischen Moral-Sense-Philosophie als Transformation einer Affekten- und Empfindungslehre hin zu einer eigenständigen Theorie des Gefühls entwickelt. Der
individuierte Körper ist demnach eine notwendige Voraussetzung, um Bewusstsein verstehen zu können. Der Leib als System der Sensibilität spielt hier eine zentrale Rolle, die in der Folge von Fichte weiter ausgearbeitet wird und die Anknüpfungspunkte an die aktuell intensiv und interdisziplinär diskutierten Theorien des Embodiment bietet – so im Blick auf Wechselwirkungen zwischen Körperzuständen und Zuständen des Denkens und Fühlens als Bedingung von Realitätsbewusstsein oder auch den Körper und seine Artikulation als Voraussetzung für Bewusstsein.
5. Im Blick auf das Ganze des Textes erscheinen Zweifel an der in der Forschung behaupteten inneren Kohärenz und sind nach wie vor nicht hinreichend geklärte architektonische und methodologische Fragestellungen zu diskutieren. Bekanntlich hat Fichte die GWL als erste Vorlesung als Nachfolger Reinholds in Jena gehalten. Aus mehreren Äußerungen wird deutlich, das Fichte selbst keineswegs der Meinung war, schon mit einem vollständig ausgereiften Ansatz anzutreten (vgl. GA I,2, 175-247). Die als Vorlesung sukzessive und in großer Eile ausgearbeitete GWL wurde zunächst bogenweise an seine Hörer ausgegeben und die ersten Partien erschienen Ende 1794 auch im Buchhandel. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Handelt es sich bei der GWL tatsächlich um einen systematisch konsequenten, sozusagen aus einem Guss‘ konzipierten Text? Oder sind im Verlaufe des Textes nicht beträchtliche Verschiebungen oder sogar grundlegende systematische und methodologische Modifikationen auszuweisen, die ggf. auch durch zeitgenössische Kritik an den vorgetragenen bzw. zuerst gedruckten Partien bedingt sind? Einederdringlichsten Frage betrifft hierbei die Struktur der ‚Selbstsetzung‘ des Ich in § 1 im Verhältnis zu dem erwähnten Reflexionspostulat des Ich in § 5.
Veranstaltungsort:
Adresse: Schloss Rammenau
Am Schloß 4
03594 Rammenau
Veranstalter:
Adresse: Internationale Johann Gottlieb Fichte-Gesellschaft e.V.
Matteo D'Alfonso, Thomas Kisser, Christian Klotz, Petra Lohmann, Alexander Schnell, Phili
Telefon:  
E-Mail:  
Homepage: http://www.fichte-gesellschaft.org/

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